Baugenossenschaften

In den ersten Apriltagen 1945 wurde unsere Stadt Dortmund von Panzern der Besatzungstruppen überrollt. Von einstmals 535 000 Einwohnern waren 285 000 noch in den Mauern der Stadt verblieben. Nicht nur bei dem größten Teil dieser 285 000 Menschen, sondern auch bei sofort beginnenden Besprechungen in kleinsten, vertraulichsten Kreisen drängte sich die Frage auf, was soll nun werden? Die bald gezogene oberflächliche Bilanz des Geschehenen in Dortmund bot ein Bild unvorstellbarer Zerstörungen und Verwüstungen. Die Überlegung, kann Dortmund überhaupt an derselben Stelle wieder aufgebaut werden, oder ist es nicht rat samer, das bisherige Stadtgebiet wird eingewalzt und an einer anderen Stelle neu gebaut, ist nicht nur Tage, sondern einige Wochen hindurch von verantwortlichen Männern ernsthaft diskutiert worden. Lediglich der Umstand, die unter der Erde noch vorhandenen Werte, wie Kanäle, Kabel usw. , sowie die Gas- und Wasserleitungen für den Wiederaufbau mitzubenutzen, entschied die Frage damals zugunsten des Wiederaufbaus der Stadt an der seitherigen Stelle.

In Dortmund sind 24 Gemeinnützige Wohnungsunternehmen sofort an die Arbeit gegangen, zunächst ihren eigenen zerstörten Wohnungsbestand wieder aufzubauen und in den letzten Zeitabläufen auch Neubauten, Volkswohnungen und Kleinstsiedlungen zu errichten. Selbstverständlich mußten nach dem Zusammenbruch diese Genossenschaften durch geeignete personelle Umbesetzungen in den Organen zunächst arbeitsfähig gemacht werden. Die Kapitalbeschaffung ist – und war auch in den letzten Jahren – nicht immer ganz einfach. Dem privaten Wohnungsbau war es nur möglich, ausschließlich mit öffentlichen Mitteln wieder aufzubauen, während bei den Baugenossenschaften immerhin auch erhebliche Eigenbeträge eingesetzt werden konnten. Im gesamten Reichsgebiet waren die Gemeinnützigen Baugenossenschaften vor 1933 an der Schaffung neuen Wohnraums mit 36 Prozent beteiligt. Nicht nur die Beteiligung verdient hervorgehoben zu werden, sondern ebensosehr die Tatsache der Gestaltung des durch die Genossenschaften erfolgten Wohnungsbaues in hygienischer und sonstiger Beziehung. Gerade in Dortmund haben die Genossenschaften, und hier sei besonders das Wirken des Dortmunder Spar- und Bauvereins hervorgehoben, Hervorragendes geleistet. Zwei Zeitperioden des Wiederaufbaus der Stadt in der Neuschaffung von Wohnraum müssen unterschieden werden. Zunächst die Zeit bis zum Tage X am 20. Juni 1948, und dann die Periode nach der umgestellten Währung von Reichs in Deutsche Mark.

Bis zur Währungsreform war die Hauptschwierigkeit: Beschaffung von Baumaterial. Gegen Reichsmark war es nur selten möglich, solches Material zu bekommen. Ware wurde gegen Ware getauscht. Die sooft geübte private Initiative versagte in diesen Tagen bezüglich des Wohnungsbaues fast hundertprozentig. Wohnungen wurden recht selten erstellt, dafür aber um so umfangreicher Ladenlokale und Geschäftsbauten aller Art. Es waren solche Kreise, die etwas zum Tauschen für das erhaltene Baumaterial anbieten konnten. Der Bauausschuß der Stadt Dortmund sah sich veranlaßt, diesem Treiben entgegenzutreten. Bei Erteilung von Bauerlaubnis wurden Auflagen nach der Richtung hin erteilt, neben den Ladenbauten auch zwei oder drei Wohnungen mitzubauen. Entsprechende Gesetze, um mit Erfolg einzugreifen, waren zur Zeit noch nicht vorhanden.

Anders war es bei den Baugenossenschaften. Sie hatten nichts an Tauschobjekten. Sie bauten auch keine Ladenlokale, sie sorgten unentwegt für den Wiederaufbau ihres Wohnraumbestandes. Irgendwelche Auflagen seitens des Bauausschusses brauchten den Genossenschaften nicht gemacht zu werden. Nach dem „Tage X“ änderte sich die Lage grundsätzlich insoweit, daß jetzt Baumaterial reichlich zu haben, aber die DM sehr knapp war. In den Läden waren über Nacht die Heinzelmännchen gewesen, die Schaufenster standen gespickt voll Waren. Diese Waren, die in RM nicht verkauft wurden, verwandelten sich recht schnell in DM. Es waren wiederum die gleichen Kreise, die in der Hauptsache Läden und Geschäftsbauten errichteten und nur selten Wohnungen bauten. Auch in dieser Zeit waren es die Genossenschaften mit ihrem Gemeinschaftsgeist, die, dem Gebot der Stunde folgend, Wohnungen und nochmals Wohnungen instand setzten. In der letzten Zeit sind einige Dortmunder Genossenschaften mit größeren Bauvorhaben – wie in Hörde und in der Klönnestraße – hervorgetreten.

Wenn im Jahre 1949 rund 4200 Wohnungen in Dortmund den Trümmern abgerungen werden konnten, so sind daran die Genossenschaften erheblich beteiligt. Zu den Aufgaben, den genossenschaftlich eigenen Wohnraumbestand wieder wohnbar zu machen – die große Dortmunder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft hatte erhebliche Zerstörungen ihres Wohnraumbestandes zu verzeichnen -, kommt seit etwa einem Jahr die Aufgabe, für Siedlergruppen im Dortmunder Raum die Trägerschaft zu übernehmen. Umfangreiche Selbsthilfe bildet e?ne zusätzliche, nicht zu unterschätzende Kapitalquelle für Wohnraumbeschaffung. Auf diesem Gebiete sowohl wie auch bei den Instandsetzungen könnte noch mehr geschaffen werden, wenn alle Dortmunder Unternehmer und Firmen sich an den Finanzierungen in der Spitze beteiligen würden. Es ist nur ein geringer Bruchteil von Unternehmungen, der hier den Gemeinschaftsgeist unter Beweis gestellt hat. Hierzu ge hören insonderheit erwähnt zu werden die drei Dortmunder Hüttenwerke und einige andere. Bemühungen Ende 1948 / Anfang 1949, alle Dortmunder Unternehmungen zu einer Gemeinschaftsleistung zu bringen, hatten nicht den gewünschten Erfolg. Immerhin hat Dortmund heute seinen Wohnraumbestand wie eingangs dargestellt – von rund 40000 auf 113 538 erhöhen können. Es fehlen aber noch 30 000 bis 40 000 Wohnungen, um den Bestand von vor dem Kriege wieder zu erreichen. Eine Arbeit von 10 bis 15 Jahren. Diese geleistete Arbeit, an der auch sehr viele kleine Privatleute mit beteiligt sind, verdient vollste Anerkennung. Familienglück, Lebensbejahung und Zufriedenheit konnten neu gegründet werden. Sehr viel ist aber noch zu tun, und diesem Tun gilt die Arbeit aller Dortmunder Gemeinnützigen Wohnungsunternehmungen.

Quelle: Von der toten zur lebendigen Stadt


Spar- und Bauverein eG, Dortmund

Die heute größte nordrhein-westfälische Wohnungsgenossenschaft ist zudem eine der ganz frühen Gründungen. Als 1889 die begrenzte Haftpflicht für Mitglieder die Gründung von Wohnungsgenossenschaften begünstigte, waren es an vorderster Stelle die Landesversicherungsanstalten, die nicht nur Wohnungsbaudarlehen vergaben, sondern aktiv Gründungshilfe leisteten, denn der Bau von qualitativ guten und „gesunden“ Wohnungen für Arbeitnehmerfamilien entlastete die Kassen. Der Gedanke der Selbsthilfe beim Bau von Wohnungen fiel in Dortmund auch deshalb auf fruchtbaren Boden, da sich das Ruhrgebiet in dieser Zeit zum schwerindustriellen Zentrum des Deutschen Reiches entwickelte und die Wohnungsnot unter den vielen hinzuziehenden Arbeitskräften groß war.

Wohnhaus Wambeler Straße 4, erbaut ab 1901, ein Wahrzeichen des Spar- und Bauvereins

Nach 10 Jahren hatte der Spar- und Bauverein, der im Gegensatz zum Werkssiedlungsbau keine Einfamilienhäuser, sondern Geschosswohnungen baute, bereits 590 Wohnungen errichtet, allerdings wollten zu diesem Zeitpunkt auch mehr als 3000 Mitglieder, überwiegend Familien von Bergarbeitern, Eisenbahn- und Postbediensteten, versorgt werden.

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs verfügte die Genossenschaft über rund 2000 Wohnungen, meist innenstadtnahe Anlagen wie der Althoff- oder der Borsigblock. Da während der Kriegsjahre und auch in der folgenden Inflationszeit kaum noch neu gebaut werden konnte, nahm die Wohnungsnot in Dortmund weiter zu, sodass 1924, als wieder mit dem Neubau begonnen werden konnte, sich 9300 Mitglieder vom Spar- und Bauverein eine Wohnung erhofften. Bis zum Kriegsausbruch 1939 konnten immerhin noch einmal rund 2000 Wohnungen errichtet werden. Der Spar- und Bauverein zählte damit zu den größten Wohnungsgenossenschaften in Deutschland.

Um so tragischer sah die Bilanz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus. Von den 4.338 Wohnungen waren lediglich 34 unbeschädigt geblieben. Wo es möglich war, griffen die Mitglieder zur Selbsthilfe, organisierten Material und setzten Wohnungen instand. Erst mit der Währungsreform von 1948 konnte der systematische Wiederaufbau bzw. Neubau beginnen. In den 1950er und 1960er Jahren, als die größten staatlichen Finanzierungsprogramme für den sozialen Wohnungsbau aufgelegt wurden, errichtete der Spar- und Bauverein fast 4.000 neue Wohnungen im gesamten Dortmunder Stadtgebiet.

In den 1970er Jahren war der Wohnungsmangel der Nachkriegszeit weitgehend beseitigt. Die Modernisierung von Beständen stand nun im Vordergrund der Arbeit beim Spar- und Bauverein, trotzdem wurde weiter neu gebaut. Aufgrund des relativ ausgeglichenen Wohnungsmarktes wurde 1990 die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft. Mit der Entscheidung für die reine Vermietungsgenossenschaft oder Steuerpflicht ergaben sich aber auch neue Handlungsspielräume. Der Spar- und Bauverein gründete eine Betreuungs- und Verwaltungs-GmbH als Tochtergesellschaft. Dadurch blieb es möglich, das Kerngeschäft der Wohnungsverwaltung für die Mitglieder in bewährter Weise fortzuführen, mit dem Ziel auch in Zukunft preisgünstige, sichere Wohnungen, aber ebenso ein attraktives und lebenswertes Wohnumfeld bereit stellen zu können.

Quelle: http://www.sparbau-dortmund.de/