Grünanlagen im Häuser- und Trümmermehr
Die städtischen Friedhöfe, Garten-, Kleingarten- und Parknlagen zeigten nach Beendigung des Krieges ein trostloses Bild. Auf den städtischen Friedhöfen hatten 356 Bomben schweren und schwersten Kalibers Gräber und Grabgruften aufgerissen, 7320 qm Wegeflächen, 1150 lfd. Meter Wasserleitung und 350 lfd. Meter Kanalleitung zerstört, einige tausend Bäume umgerissen und mehrere tausend bis dahin liebevoll gepflegte Grabstellen vernichtet oder verschüttet. Die Betriebsgebäude auf den Friedhöfen waren zu 70 %, die Wohngebäude zu 50 %, die Leichenhallen zu 60 % und die Friedhofsgärtnereien zu 65 % vernichtet, in den Garten- und Parkanlagen waren 855 Bomben niedergegangen. Durch diese sind 16 200 qm Wegeflächen, 1045 d. Meter Wasserleitung und 1265 lfd. Meter Kanalleitung zerstört worden. Die Betriebsgebäude in den städtischen Garten- und Parkanlagen wurden zu 80 % und die Wohngebäude zu 45 % vernichtet. In den Gärtnereien waren sämtliche Gewächshäuser abgedeckt und alle Mistbeetsnster zerstört. In den Straßen der Stadt waren 5500 Straßenbäume und 1500 Ruhebänke durch Bomben zersplittert oder durch Feuer vernichtet worden.
Auch in den Kleingartendaueranlagen war die Verwüstung sehr groß. Im Norden der Stadt war eine ganze Daueranlage durch Zerstörung der Pumpanlagen meterhoch überflutet und mit den gesamten Lauben und Obstbaumbeständen vollständig vernichtet worden. In den anderen Daueranlagen waren durch 250 Bombentreffer die meisten Gartenlauben und sehr umfangreiche und wertvolle Obstgehölze zerstört worden.
An eine Wiederherstellung der Garten- und Parkanlagen rar zunächst nicht zu denken. Die Belegschaft des Garten- und Friedhofsamtes war noch zu 30°/o in der Gefangenschaft. AIle vorhandenen Kräfte mußten eingesetzt werden, um zunächst auf den Friedhöfen einigermaßen Ordnung zu schaffen. Von den letzten Bombenangriffen auf die Stadt Dortmund und den letzten Kampfhandlungen waren viele Leichen in Gärten, Grünanlagen und an Bahndämmen beerdigt worden. Diese Leichen mußten wieder aufgenommen und nach einer Identifizierung auf den Friedhöfen beigesetzt werden. Der auf dem Hauptfriedhof gelegene besondere Friedhof für ausländische Kriegsgefangene und Zivilisten, der mit über 7000 Ausländern belegt ist, wurde in einfacher und würdiger Form ausgestaltet. Die durch Kriegseinwirkungen und zum Teil auch von den Nazis zerstörten Judenfriedhöfe und die Ehrenfelder für die in Dortmund beerdigten Soldaten und Bombenopfer wurden in würdiger Form hergerichtet. Die durch die Zerstörung Dortmunds bedingte Umsiedlung der Bewohner in die Vororte machte ich umfangreiche Friedhofserweiterungen in den Vororten notwendig. Das Krematorium, das durch die Zerstörung der Gasleitung seit 1944 stillag, konnte Ende 1945 wieder in Betrieb genommen werden.
In den Garten- und Parkanlagen konnte der Wiederaufbau zunächst nicht in Angriff genommen werden. Die ständig steigende Nahrungsmittelnot zwang die Leitung des Garten- und Friedshofsamtes, alle noch vorhandenen Grünflächen den Bewohnern Dortmunds als Grabeland zur Verfügung zu stellen. So wurden die Grünflächen im Hain, in der Danziger Freiheit, im Westpark, Volkspark Mengede und Volkspark Dortmund, am Nordmarkt, Hindenburgspielplatz und weitere kleine Grünflächen der Bevölkerung zum Anbau von Gemüse übergeben, um der größten Not bei der Ernährung zu steuern. Sogar alte Grabfelder auf dem Ostfriedhof und Rasenflächen auf dem Hauptfriedhof wurden mit Gemüse bebaut, woraus zu erkennen ist, wie groß die Nahrungsmittelnot in Dortmund in den Jahren 1945 bis 1948 war. Auch die städtischen Gärtnereien im Wambel und im Olpketal sowie die Baumschule in Asseln wurden vollständig auf Gemüsebau umgestellt. Das Gemüse wurde an die Städtischen Krankenanstalten abgegeben und die Bauern und Kleingärtner Dortmunds mit Jungpflanzen beliefert. An Gemüse und Jungpflanzen wurden abgegeben:
Jahr | Gemüse | Jungpflanzen |
1945 | 1250 Zitronen | 180.000 Stück |
1946 | 1690 Zitronen | 275.000 Stück |
1947 | 2400 Zitronen | 500.000 Stück |
1948 | 2270 Zitronen | 460.000 Stück |
1949 | 1720 Zitronen | 345.000 Stück |
Gesamt | 9330 Zitronen | 1.760.000 Stück |
Zu der Nahrungsmittelnot gesellte sich die Brennstoffnot, zu deren Beseitigung die Friedhöfe, Grünanlagen und Straßenbäume ihr Opfer beisteuern mußten. In den Wintern 1945/47 wurden in den vorhandenen Anlagen für insgesamt über 5000 RM Brennholz gefällt und an die notleidende Bevölkerung abgegeben.
Die Wiederaufbauarbeiten in den Grün- und Parkanlagen beschränkten sich bis zur Währungsreform in der Hauptsache auf Aufräumungsarbeiten. Die verschütteten Wege wurden freigelegt, Bombentrichter beseitigt, Betriebsgebäude und Unterkunftsräume für die Belegschaft im Wege der Selbsthilfe wieder aufgebaut, Wasserleitungen und Kanalleitungen instand gesetzt und die noch vorhandenen Baum- und Sträucherbestände gesichert. Der Mangel an Arbeitskräften bei der Gartenverwaltung – 193 im Jahre 1939 gegenüber 95 im Jahre 1945 – und der Verlust an Material, Geräten, Werkzeugen und Transportmitteln und die großen Schwierigkeiten bei ihrer Neubeschaffung wirkten sich auf den Fortgang der Wiederaufbauarbeiten sehr hemmend aus. Mit dem Wiederaufbau der eigentlichen Grünanlagen konnte erst nach der Währungsreform 1948 begonnen werden, weil es bis dahin nicht zu verantworten war, den auf den Grünanlagen sitzenden Grabelandpächtern zu kündigen. Zunächst wurde der vordere Teil des Hains, der durch Bomben völlig umgepflügt war, wiederhergestellt. Zur Beschleunigung der Arbeiten wurde hier ein Raupenschlepper eingesetzt. Die Wege und Pflanzungen mußten vollständig erneuert werden, während die Dichtung des Teiches, in dem sich auch zahlreiche Bombentrichter befanden, noch nicht durchgeführt werden konnte. In gleicher Weise wurden die Anlagen des Brügmannplatzes (Danziger aufgeräumt und erneuert. Der Nordmarkt und der Hindenburgspielplatz wurden wiederhergestellt und für die Bevölkerung nutzbar gemacht. Auch die kleineren Grünflächen am Kaiserbrunnen, gegenüber dem Grafenhof und dem Bahnhof konnten wiederhergestellt werden. In der letzteren Grünfläche wurde ein Findling gelagert, den die Bomben hier aus der Tiefe herausgeschleudert hatten. In den Vororten wurde mit der Wiederherstellung des Volksparkes Lütgendortmund, Bövinghausen und Mengede begonnen, während in Marten und Kirchlinde die vorhandenen kleineren Grünflächen wiederhergestellt wurden.
Die Kriegsschäden auf den Friedhöfen sind in der Hauptsache beseitigt. Der restlose Wiederaufbau der Gebäude und Leichenhallen wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Erweiterung des Hauptfriedhofes und der Vorortfriedhöfe, besonders in Hombruch, Huckarde, Hohensyburg, Kirchlinde und des Bezirksfriedhofes in Marten, werden laufend durchgeführt. Die Anlegung der geplanten Bezirksfriedhöfe wird besonders im Süden der Stadt vordringlich und Aufgabe der nächsten Jahre sein. Die Wiederherstellung der Grün- und Parkanlagen ist für das kommende Jahr vorgesehen. Die notwendigen Mittel sind beantragt, und die technischen Vorarbeiten stehen vor dem Abschluß. Ob und inwieweit die Pläne verwirklicht werden können, ist eine reine Finanzfrage.
Die Kriegsschäden in den Kleingartendaueranlagen sind von den Kleingärtnervereinen in verständnisvoller Zusammenarbeit mit dem Garten- und Friedhofsamt beseitigt worden. Die Nachfrage nach Kleingärten stieg während des Zweiten Weltkrieges und besonders nach diesem Weltenbrand entsprechend der zunehmenden Ernährungsschwierigkeiten.
Dieser Landhunger konnte zunächst nur durch vorübergehende Bereitstellung von Grabeland zur Anzucht von Kartoffeln und Gemüse gestillt werden. Aus vielen Grabelandpächtern wurden aber entschlossene Anwärter für Dauerkleingärten, weil sich bei ihnen die Erkenntnis durchgesetzt hatte, daß im Ruhrgebiet eine ausreichende Versorgung mit Gemüse und Obst nur dann gesichert ist, wenn jeder selbst zur Erzeugung von Obst und Gemüse durch Gartenbau in der Freizeit nach Kräften mit beiträgt. Hinzu kommt noch der außerordentliche gesundheitliche Wert, den die Kleingartenarbeit in frischer Luft für den schwer schaffenden Menschen im Industriegebiet hat.
Die Erkenntnis dieser Tatsachen veranlaßte die Stadtverwaltung, bei der nach dem Kriege beginnenden Stadtneuplanung sofort Kleingartendaueranlagen unmittelbar um den Stadtkern herum auszuweisen. Von 1945 – 1950 sind 44 Kleingartendaueranlagen bebauungsplanmäßig ausgewiesen worden, die auf 1520 Morgen 7800 Dauerkleingärten umfassen. Davon sind bis jetzt 6 Daueranlagen fertiggestellt und 19 Daueranlagen im Ausbau. Es ist die Absicht der Stadt, den Stadtkern mit einem Kranz von Daueranlagen zu umgeben, um jedem Bewerber für einen Dauerkleingarten die Gelegenheit zu geben, in seinem Garten für sich und seine Familie die notwendige Erholung und Entspannung zu finden und durch die Heranzucht von Obst und Gemüse sich von den Schwankungen der Ernährungswirtschaft unabhängig zu machen.
Quelle: Von der toten zur lebendigen Stadt / 5 Jahre Wiederaufbau Dortmund # Zeitraum 1945 – 1950