Kein Ersatz für ärztliche Behandlung!
Die Luftschutzhausapotheke ist das für den Selbstschutz wichtigste Luftschutzsanitätsgerät und gleichzeitig das einzige, ausschliesslich für den Luftschutz bestimmte Hilfsmittel der Laienhelferinnen.
Mit einer guten Ausbildung der Laienhelferinnen sind die Anforderungen für einen Ernstfall durchaus nicht erschöpft. Allerdings muss hierbei betont werden, dass durch die Vereinbarung zwischen dem Präsidium des Reichsluftschutzbundes und dem Deutschen Roten Kreuz eine gleichmässige und vorbildliche Ausbildung der Laienhelferinnen gewährleistet ist. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem RLB und dem Roten Kreuz ist eine möglichst umfangreiche und doch die Grenzen des eigenen Handelns vorzeichnende Durchbildung der Laienhelferinnen sichergestellt worden. Zu dieser, sowohl theoretischen, als auch praktischen Ausbildung mit dem vorgeschriebenen, unbedingt notwendigen Luftschutzsanitätsgerät. Der Laienhelferin, die die Aufgabe hat, im Luftschutzraum Erste Hilfe zu leisten, steht für ihre Tätigkeit die Luftschutzhausapotheke zur Verfügung.
Dieses Gerät soll ihr die Möglichkeit geben, bei allen Fällen von Erkrankungen eingreifen zu können. Das Ziel der Tätigkeit der Laienhelferinnen ist Erste Hilfeleistung. Diese soll ernstere Gesundheitsschäden verhindern und eine bestehende Lebensgefahr abwenden.
Die in der Luftschutzhausapotheke vorhandenen Arznei- und Verbandmittel sind also nicht als Ersatz für eine ärztliche Behandlung gedacht! Deshalb ist der Inhalt der Luftschutzhausapotheke auch nur auf das unbedingt Notwendige beschränkt geblieben, wobei natürlich die Kosten eine Rolle gespielt haben.
Es soll hier nicht weiter auf die Frage eingegangen werden, nach welchen Grundsätzen der notwendige Bedarf an Verbandmitteln u. ä. auch schon behelfsmässig ausgewählt und niedergelegt werden kann, solange noch nicht überall Luftschutzhausapotheken vorhanden sind. Das Ziel all unserer Bestrebungen muss sein, in jedem Haus eine vorschriftsmässige Luftschutzhausapotheke zu besitzen. Wenn sich alle Hausbewohner an den Kosten beteiligen, so tritt keine allzu starke finanzielle Belastung des einzelnen ein.
Wir fordern also, dass jedes Haus und damit auch jede Laienhelferin mit einer Luftschutzhausapotheke ausgerüstet wird. Auf diese Forderung muss aber schon bei der Ausbildung sowie bei Übungen und Wiederholungskursen Rücksicht genommen werden, denn eine Laienhelferin kann nur dann im Ernstfall schnell und sachgemäss Erste Hilfe leisten, wenn sie ihr Gerät kennt und in Friedenszeiten gelernt hat, mit ihm umzugehen. Eine Ausbildung, die über die Kenntnis und Anwendung der Arznei- und Verbandmittel der Luftschutzhausapotheke hinausgeht, kann wohl grundsätzlich befürwortet werden, nur darf eine derartige allgemeinere Unterrichtung über Erste Hilfemassnahmen nicht als eigentliches Ziel der Ausbildung angesehen werden, sondern höchstens als allgemeine Anleitung. Die Laienhelferin muss ihre Luftschutzhausapotheke kennen! Sie muss mit ihr umgehen können, jedes Stück muss ihr vertraut sein, alle Ersten Hilfemassnahmen, die mit dieser Forderung zusammenhängen, müssen ihr vertraut und geläufig sein. Alles Überflüssige ist bei der Ausbildung und bei der Ausrüstung zu vermeiden. Kennt die Laienhelferin ihr „Handwerkszeug“, ihre Luftschutzhausapotheke, so kennt sie auch ihre Grenzen. Weiss sie, was sie nicht mehr machen darf – also auf Grund ihrer Kenntnisse und ihrer Ausbildung nicht verantworten kann – , dann wird sie auch niemals die Erkrankten oder sonst Hilfesuchenden in die Gefahr einer schweren Schädigung, hervorgerufen durch eine falsche Erste Hilfe, bringen. Darum halte sich die Laienhelferin an die Luftschutzhausapotheke. Die genauestens zu kennen, mit jedem Stück richtig umgehen zu können, muss ihr Ziel sein.
Die Forderung, die an ein derartiges Luftschutzsanitätsgerät zu stellen sind, richten sich nach der Zweckbestimmung. Die Luftschutzhausapotheke muss neben einem zweckmässigen Inhalt eine möglichst jahrelange Lagerfähigkeit besitzen. Dementsprechend muss die Qualität des Inhalts und des Kastens eine andere sein, als bei anderen ähnlichen Geräten oder Verbandmitteln. Weiterhin wird ein Kasten, der für vielleicht feuchte oder doch häufigen Temperaturschwankungen unterworfene Räume vorgesehen ist, widerstandsfähiger sein müssen, als die kleinen Apotheken, die man in den Wohnungen als hölzerne Arzneischränke kennt. So stehen also die Anforderungen an das Gerät durchaus im Einklang mit der Zweckbestimmung und schließlich auch mit dem Preis.
Der Inhalt der Luftschutzhausapotheke:
10 Verbandpäckchen (altes Heeresmodell, ohne Gummistoff, 28fädig, 4 m lang, 7 cm breit.
1 mal 100 und 2 mal 50 g Verbandwatte in Rollenform (auch gepresst)
50 Tabletten Natr. Bic zu 1,0 (leicht löslich, in Schraubglas
1 Glasflasche zu 500 ccm (weiss, rund, weithaltig, mit Aufschrift „zum herstellen einer 5%igen Natrium bicarbonat-Lösung“
2 mal 100 g Chloraminpulver (Zusammensetzung: Chloramin 20,0, Bolus alba 40,0, Talkum 40,0) in Glasflaschen
1 Emaillegesäß zu 1 Liter (mit innerer Maßeinteilung, ohne Ausguß, äußerer Durchmesser 11 cm, Höhe 14 cm)
1 Löffel (aus Kunstharz, Horn oder Holz, 20 cm lang)
2 mal 10 g alkalische Augensalbe in Porzellankruke
(Zusammensetzung: Natr. Biborac. 1,0, Natr. Bicarbon 2,0, Adeps Lanae, Auqa dest. Aa 10,0, Vaseline 80,0)
2 Augensalbe-Stäbchen aus Glas oder Milchglas in Papphülle
1 Tube zu 50 g weiße Vaseline
500 g Kaliseife (in weisser Porzellankruke, Verschluss Zelluloiddeckel mit Pflasterstreifen)
250 g kalzinierte Soda in paraffinierter Pappdose, verschlossen mit Pflasterstreifen
1 Glasflasche zu 1000 ccm Inhalt (weiss, rund, weithaltig) Aufschrift: „Zum Herstellen einer 3%igen Sodalösung
3 Brandbinden (2 m lang, 10 cm breit, in Pappkartons mit Zellophanüberzug
50 g Baldrian-Tinktur, in brauner Ausgussflasche mit Korken und langer Tektur.
12 Stück Würfelzucker, einzeln eingewickelt, in flacher Blechschachtel
1 Riechfläschchen aus Glas mit Kunstharz-Schraubverschluss in nichtrostender Metallröhre mit 6 g Menthol-Eukalypthus-Gemisch:
Zusammensetzung: Menthol 3,0 / Chloroform 8,0 / Ol. Eucallypt. 8,0 / Tinct. Jodi 4,0 / Spiritus ad 60,0
2 Dreiecktücher (feldgrau, farbecht 90 x 125 cm)
6 Mullbinden (24fädig, 10 cm breit, 4 m lang, einzeln eingewickelt, mit Aufdruck
1 Dutzend Sicherheitsnadeln, Grösse 2, vernickelt
1 Anleitung für „Erste Hilfe“ (Verband der Berufsgenossenschaften)
Der Kasten besteht aus 0,52 mm, die Tür aus 0,75 mm starkem Schwarzblech. Die nach außen übergreifende Tür wird durch 2 Hakenzugverschlüsse geschlossen gehalten und besitzt Scharniere; sie ist gegen das Eindringen von Schädlichkeiten durch eine Einlage von beständigem Material (z. B. Gummiasbest) am inneren Rande gut abgedichtet. Der rechteckige Blechkasten (455 mm hoch, 360 mm breit, 130 mm tief) besitz 2 Griffe an den oberen Seitenkanten und 2 Aufhängeösen an der oberen Rückwandkante und hat einen Anstrich von weißer, beständiger Lackfarbe. Auf dem Deckel steht in roter Schrift: Luftschutz-Hausapotheke.
Im Deckel ist die Gebrauchsanweisung eingeklebt. Sie soll der Laienhelferin die Möglichkeit geben, sich noch einmal über die Art der Ersten Hilfeleistung zu vergewissern, falls sie einmal wegen der einzuschlagenden Massnahmen unsicher sein sollte.
Bekanntlich sind die Luftschutzhausapotheken nur durch Apotheken zu beziehen. Der Apotheker ist verantwortlich für die Güte und Vollständigkeit des Geräts. Er kennzeichnet im Innern des Deckels, am unteren Rande der Gebrauchsanweisung, die Luftschutzhausapotheke mit seinem Stempel. Auf der Rückseite des Kastens stehen Name und Wohnort der Herstellerfirma. Dort findet man auch gleichzeitig den Vermerk, dass der Betrieb dieses Luftschutzsanitätsgeräts gemäss §8 des Luftschutzgesetztes genehmigt worden ist, und dass die Reichsanstalt der Luftwaffe für Luftschutz der Herstellerfirma diese Genehmigung unter Zuteilung einer besonderen Kennnummer erteilt hat. Denn nur solche Geräte bekommen von der Reichsanstalt der Luftwaffe für Luftschutz eine derartige Genehmigung, die allen Anforderungen entsprechen. So hat schliesslich jeder, der in einer Apotheke eine Luftschutzhausapotheke erwirbt, die unbedingte Gewähr dafür, dass er sich ein einwandfreies Luftschutzgerät anschafft.
Die Laienhelferin aber weiss, dass sie bei Benutzung des ihr anvertrauten Geräts und bei Beachtung der gelernten Behandlungsgrundsätze allen Erfordernissen des Ernstfalles gegenüber gewappnet ist. Hilfreich sein, doch dabei niemals schaden, ist der Leitsatz, der unsichtbar über der Tätigkeit der Laienhelferinnen und damit auch über der Luftschutzhausapotheke geschrieben steht.
Quelle: Die Sirene – Heft 11, Seite 300 ff / Abschrift und Übersetzung aus dem altdeutschen: Kai Ohlenbostel
Siehe auch “Die Hausapotheke in Zeiten grösster Not”
Externer Link: Uni Marburg 7,22 MB PDF-File: Poster “Die Hausapotheke in Zeiten grösster Not”
Institut für Geschichte der Pharmazie
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Caroline Schlick (E-Mail: schlick@staff.uni-marburg.de)
Christoph Friedrich