Ergängzend zum Artikel “Der behelfsmäßige Luftschutzraum” hier ein Artikel über die
Fehler bei behelfsmässigen Luftschutzräumen.
Über die behelfsmäßige Herrichtung von Luftschutzräumen ist in der letzten Zeit so viel geschrieben worden, daß man meinen sollte, ein weiterer Aufsatz über dies Gebiet sei nicht notwendig. Die folgenden Zeilen sollen deshalb auch nicht dazu dienen, das Schrifttum über die Frage, wie es gemacht wird, zu vermehren; sie haben vielmehr den Zweck, einige In der Praxis immer wieder zutage getretene Fehler und Unklarheiten zu beseitigen. Hierbei handelt es sich vor allem um solche Mängel, deren Abstellung der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe im Zusammenhang mit einer Überprüfung der bisher getroffenen Maßnahmen angeordnet hat.Luftschutz: Keine Gassicherheit
Zunächst einige Bemerkungen zu der organisatorischen Seite: Bekanntlich wirken bei der Herrichtung des Luftschutzraumes außer dem Hauseigentümer und dem Luftschutzwart alle übrigen Personen mit, zu deren Schutz der Raum dienen soll. Das bedeutet nun nicht, daß in einer Versammlung aller Mieter eines Hauses über die Art der durchzuführenden Maßnahmen nach dem berühmten Mehrheitsprinzip abgestimmt wird, es heißt vielmehr: Einer entscheidet; und alle helfen mit. Dieser Eine ist im allgemeinen der Hauseigentümer, der Luftschutzwart nur dann, wenn er vom Hauseigentümer hierzu beauftragt ist. Auch dort, wo der Eigentümer nicht im Hause wohnt oder wo das Haus einer Gesellschaft gehört, hat zwar der Luftschutzwart die Durchführung der Arbeiten im einzelnen zu organisieren und zu leiten, etwa in diesem Zusammenhang ergehende Anweisungen oder Entscheidungen des Hauseigentümers hat er jedoch zu berücksichtigen.
Ähnliches gilt auch auf dein Gebiet der Überwachung des Luftschutzraum-Baues. Hier wird neben den ordentlichen Polizeibehörden der Reichsluftschutzbund und – im Werkluftschutz – die Reichsgruppe Industrie tätig. Bei der Mannigfaltigkeit der zu berücksichtigenden Punkte und bei der Verschiedenartigkeit der örtlichen Gegebenheiten des Einzelfalles wird es oft mehrere gleich gute Lösungen oder unterschiedliche Ansichten über die beste Lösung geben. In solchen Fällen muß der richtige Weg durch engste Zusammenarbeit der beteiligten Stellen gefunden werden. Keinesfalls geht es an, daß der Hauseigentümer etwa von der Polizei und dem Reichsluftschutzbünd verschiedene Auskünfte erhält.
Die Überprüfung der bisher getroffenen Maßnahmen gilt vor allem hinsichtlich der „Auswahl geeigneter Räume“. Da die Herrichtung der Luftschutzräume in den meisten Fällen bereits abgeschlossen ist, ist die nachträgliche Feststellung, daß der ausgewählte Raum nicht der geeignetste ist, für die Betroffenen sicher nicht angenehm. Ein Widerspruch gegen den Raum sollte deshalb nur dort erfolgen, wo sich die an der Überwachung beteiligten Stellen restlos darüber einig sind, daß eine Duldung des geschaffenen Zustandes mit der Sicherheit der Bewohner nicht zu vereinen ist. In solchen Fällen muß allerdings, so bitter das auch ist, von vorn angefangen werden. Die Wichtigkeit, den bestgeeigneten Raum des Hauses auszusuchen, ist zu groß, als daß es geduldet werden könnte, einen ungeeigneten Baum etwa nur deshalb zu wählen, weil er zufällig leer steht, während aus einem anderen, weitaus tauglicheren Raum erst die Kohlen ausgeräumt werden müßten.
In diesem Zusammenhang muß noch darauf hingewiesen werden, daß von dem Grundsatz „Jedes Haus seinen eigenen Luftschutzraum“ möglichst nur bei unmittelbar benachbarten Gebäuden abgewichen werden soll. hierbei soll der Weg ins Nachbarhaus möglichst nicht über die Straße, sondern besser durch einen im Keller vorzunehmenden Durchbruch der die Gebäude trennenden Brandmauern führen.
In den gesetzlichen Bestimmungen ist vorgeschrieben, daß jeder Luftschutzraum mindestens einen Notauslaß haben muß. Diese Vorschrift ist in der Praxis oft übersehen worden. Sie ist aber besonders aus zwei Gründen von großer Wichtigkeit. Einmal ist ein Luftschutzraum ohne Notauslaß wie ein Schiff ohne Rettungsboote. Zweitens kann aber auch ein Raum, der außer dem Zugang keinerlei Öffnungen hat, schlecht oder gar nicht durchlüftet werden. Aus diesem Grunde wird am besten ein vorhandenes Fenster als Notausstieg hergerichtet. Es muß natürlich so groß sein, daß es auch für ältere oder beleibte Personen passierbar ist. Etwa vorhandene Eisengitter sind zu entfernen. (Der Einbruchsdiebstahlgefahr ist bekanntlich durch erheblich verschärfte Strafdrohungen für diese Fälle vorgebeugt.) Unrichtig ist es auch, die Notausstiegsöffnung mit Splitterschutzvorrichtungen so zu versperren, daß ein Aussteigen aus dem Fenster unmöglich ist. Der mitunter geäußerten Ansicht, man wolle bei eintretender Notwendigkeit die vor dem Fenster liegenden Sandsäcke von innen aufschlitzen, den Sand in den Luftschutzraum rinnen lassen und dann die entleerten Sandsäcke wegstoßen, ist nicht zuzustimmen, da dieses Verfahren immerhin sehr zeitraubend ist und doch Fälle eintreten können, in denen eine sofortige Räumung des Luftschutzraumes notwendig wird. Luftschutz: überflüssige Splittersicherung
Auch dort, wo ein Luftschutzraum keine oder keine geeigneten Fenster zum Herrichten eines Notausstieges hat, darf auf eine Notauslaßmöglichkeit nicht verzichtet werden. Hier müssen Notausgänge durch anschließende Räume (Nachbarkeller, Keller) geschaffen werden oder auch solche Ausgänge, die durch Nachbarhaus den Weg ins Freie öffnen.
Die häufigsten Fehler sind bei der Herrichtung der Splitterschutzvorrichtungen beobachtet worden. Oft sind sie in ihren Abmessungen zu knapp gehalten. Das ist wegen der Möglichkeit des Durchschlags von Splittern wie des Verrutschen gefährlich und verstößt außerdem gegen die gesetzlichen Bestimmungen, die an Hand von Beispielen (Zeichnungen) hierfür verbindliche Mindestmaße vorschreiben. Die Art der Splittersicherung muß demnach auch nach dem vorhandenen Platz gewählt werden. Wenn z. B. für eine Sandschüttung nicht der nötige Platz vorhanden ist, wird sich eine Steinpackung oder ein Splitterschutz durch Bohlen immer noch durchführen lassen. Bei Splitterschutz-Vorrichtungen, die auf die Straßenfront hinausgehen, muß noch mehr als bisher darauf geachtet werden, daß weder der Straßenverkehr erheblich belästigt noch das Straßenbild verunziert wird. Wenn also zwischen Haus und Gehbahn kein Vorgarten besteht oder der Bürgersteig sehr schmal ist, muß eine raumsparende Splitterschutzvorrichtung (z. B. Zumauern oder Steinpackung) gewählt werden. Dort, wo sie in die Gehbahn hineinragt, muß sie zur Kennzeichnung bei der Verdunklung geweißt werden. Bei Jute-Sandsäcken darf dies nicht durch einen Anstrich mit Kalkmilch geschehen, da Kalkmilch das Gewebe zerstört. Hier muß also Farbe genommen werden. Bei anderen Splitterschutzvorrichtungen genügt ein Weißen mit Kalkmilch.
In diesem Zusammenhang einige Worte über die Verwendung von Sandsäcken: Jutesäcke dienen vor allem der Ernährungswirtschaft, sie sind dort unentbehrlich, während man bei der Herrichtung von Luftschutzräumen auch mit Sandsäcken aus anderem Material auskommt oder andere SplitterschutzVorrichtungen als solche mit Sandsäcken erstellen kann. Deshalb sollen in Zukunft für neu auszuführende Splittersicherungen keine Jutesäcke mehr verwendet werden, sondern nur noch Säcke aus Bitumen-Papier oder imprägniertem Papiergewebe. Im übrigen gilt folgendes: Wer eine Splitterschutz -Vorrichtung aus Jutesäcken in technisch richtiger Weise bereits ausgeführt hat, braucht die Jutesäcke nicht wieder zu entfernen. Da die Parole „Kampf den Verderb“ auch hier gilt, müssen die in technisch richtiger Weise verwendeten Jutesäcke vor Verrotten durch Witterungseinflüsse geschützt werden. Dies geschieht zum Beispiel dadurch, daß man sie durch allseitiges Abdecken mit Brettern, Dachpappe oder ähnlichem vor Regen und Nässe schützt.
In den Fällen, in denen Jutesäcke technisch falsch verwendet worden sind, in denen also die vorhandene Splittersicherung sowieso geändert werden muß, müssen die Säcke entfernt, entleert, getrocknet und ihrem wichtigen Verwendungszweck in der Ernährungswirtschaft wieder zugeführt werden. Eine technisch falsche Verwendung von Jutesäcken ist hauptsächlich in folgenden Fällen beobachtet worden: Oft sind auf die nach oben meist mit Gittern oder Glasbausteinen abgedeckten Lichtschächte vor Fenstern unter Erdgleiche ein oder mehrere Sandsäcke gelegt worden. Diese Maßnahme ist falsch. Eine Splittersicherung solcher Fenster ist überflüssig, eine etwa beabsichtigte Gassicherung wird mit den geschilderten Maßnahmen nicht erreicht. In derartigen Fällen müssen daher die Sandsäcke entfernt werden, wobei die Gassicherung, soweit noch nicht geschehen, durch die in den gesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen Maßnahmen an den Fenstern vom Kellerraum aus durchzuführen ist. Das gleiche gilt für die Fälle, in denen auf die genannten LichtschachtAbdeckungen Sand- oder Erdschüttungen aufgebracht worden sind. Derartige Vorkehrungen sind zwecklos, behindern nur den Verkehr und sind deshalb zu entfernen.
Luftschutz: Warum noch Sandsäcke?
Bei der Herstellung von Splittersicherungen sind mitunter sämtliche Fenster des Luftschutzraumes licht- und luftdicht abgeschlossen worden. Daß dies in den Fällen unzulässig ist, in denen ein Fenster als Notausstieg hergerichtet wird, ist oben bereits ausgeführt worden. Aber auch dort, wo ein Notausgang durch eine zweite Tür bereits vorhanden ist, ist es falsch, alle Fenster so zu verbauen, dass ein ständiger licht- und luftlichter Abschluß des Luftschutzraumes herbeigeführt wird. Abgesehen von der Notwendigkeit der Durchlüftung des Luftschutzraumes nach Gebrauch erschwert ein solcher Abschluß auch seine sonstige Benutzung. Z. B. können Lebensmittelvorräte in dunklen, nicht durchlüfteten Räumen wegen der Gefahr zu raschen Verderbens nicht aufbewahrt werden. Nun wird gerade jetzt zu Beginn des Winters bei der Lagerung von Kartoffeln, Weckgläsern, Obst und anderen Vorräten häufig auch auf die Luftschutzräume zurückgegriffen werden müssen. Deshalb muß dringend geraten werden, wenigstens bei einem Fenster jedes Luftschutzraumes seine Splitterschutzvorrichtung anzubringen, die eine leichte Durchlüftung und möglichst auch das Eindringen von Tageslicht gestattet.
Hierauf muß übrigens auch aus Gründen der Gesund- und Trockenerhaltung des Bauwerkes selbst geachtet werden. Zur Verhütung der Übertragung von Feuchtigkeit auf die Hauswand sollen deshalb auch zwischen Sandschüttung oder Sandsackpackung und Hauswand Isolierpappe oder Tafeln aus Holz gelegt werden.
Zum Schluß noch einige Bemerkungen über die Deckenabsteifung. In vielen Luftschutzräumen sind bisher leider keine Deckenabsteifungen durch, geführt worden. So wie der Notausstieg mit einem Rettungsboot, so kann ein Luftschutzraum ohne Deckenabsteifung mit einem Haus ohne Blitzableiter verglichen werden. Im Hinblick auf die erhöhte Sicherheit des Luftschutzraumes muß die Deckenabsteifung mit allen Mitteln angestrebt werden. Wenn es möglich war, den Luftschutzraum selbst herzurichten, dann muß es auch jetzt noch nachträglich möglich sein, mit vorhandenen Mitteln eine Deckenabsteifung auszuführen.
Abschließend sei jedem, der durch die vorstehenden Zeilen die Überzeugung gewonnen hat, daß sein Luftschutzraum doch noch nicht allen Anforderungen genügt, die „Anleitung für die behelfsmäßige Herrichtung von Luftschutzräumen“ empfohlen, die im Auftrage des Reichsluftfahrtministeriums bearbeitet worden ist und für alle auftauchenden Fragen einen wertvollen praktischen Ratgeber darstellt.
Die Schrift (32 Seiten, 28 Abbildungen) ist im Verlag Gasschutz und Luftschutz Dr. Ebeling K.G., Berlin-Charlottenburg 5, Kaiserdamm 117, erschienen und zum Preis von 0,24 RM im Buchhandel, bei den Dienststellen des Reichsluftschutzbundes und beim Verlag erhältlich.
Quelle: Die Sirene – 2 Nov. Heft Nr. 24 – 1939: Abschrift Kai Ohlenbostel