Der Arzt im Luftschutz

Zu einer planmäßigen Vorbereitung und Organisation gehört eine Beherrschung der Materie. Die im Weltkriege erworbenen Kenntnisse reichen bei der raschen und ausgreifenden Entwicklung der Angriffswaffe und bei der technischen und organisatorischen Vervollkommnung der Abwehr in den Nachkriegsjahren auch für den Arzt nicht mehr aus, und nichts wäre verhängnisvoller, als im vermeintlichen Glauben an Erfahrung, die vor 20 Jahren gesammelt wurde, eine Neuorientierung abzulehnen. Auch hier bedeutet Stillstand des Wissens Rückschritt und würde den Arzt der Fähigkeit entkleiden, sein Amt im Luftschutzdienst zu erfüllen. Der Luftschutzdienst verlangt vom Arzte nicht eine rein ärztliche Tätigkeit der Versorgung und Behandlung von Verwundeten, der auf Grund seines Berufes gewachsen sein dürfte: Der Einsatz des Arztes im Luftschutz ist so vielgestaltig, dass er über Form und Umfang des Gesamtluftschutzdienstes, insbesondere über Arten und Möglichkeiten eines Luftangriffes und der dabei in Erscheinung tretenden Kampfmittel, über Schutzmaßnahmen aller Art, über Mitarbeit und Aufgaben anderer Disziplinen grundlegende Kenntnisse besitzen muss, um seine Sonderstellung und Sonderaufgaben zu verstehen und dem großen Rahmen anzupassen. Luftschutz ist für den Arzt Neuland, es ist eine Grenzwissenschaft, die über sein Fachwissen hinausgreift und deshalb ein Studium erfordert. Es genügt also keineswegs, dass der Arzt, vielleicht weil er wissenschaftlich gefesselt wird, dem einen oder anderen Teilgebiet des Luftschutzes keinen Blick zuwendet, er muss in fachmännisch geleiteten und organisatorisch aufgebauten Gas- und Luftschutzlehrgängen sich einer systematischen Schulung unterziehen, die alle Notwendigkeiten berücksichtigt. Diese Forderung stellt an Opfersinn und Idealismus hohe Ansprüche. Sie können und müssen aufgebracht werden in dem Bewusstsein, dass der Arzt auch hier, wie in seinem Berufe überhaupt, dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen hat. Solche Schulungslehrgänge sind in vorbildlicher Weise eingerichtet in der Reichsanstalt für Luftschutz und beim Deutschen Roten Kreuz.

Bei der Versorgung von Kranken und Verwundeten im Luftschutzdienst wird die Behandlung von Kampfstoffkranken eine besondere Rolle spielen. Es wäre aber verfehlt, wollte ein Arzt den Luftschutzdienst mit Gasschutzdienst verwechseln und identifizieren und etwa sein fachliches Können nur auf die Versorgung von Kampfstoffkranken erweitern. Neben der ersten Wundbehandlung sowie der Behandlung von scharfen und stumpfen Verletzungen aller Art an Weichteilen, Knochengerüst und inneren Organen, die ihm geläufig sein dürfte, wird er sein Augenmerk auf Aneignung von Kenntnissen in der Wiederbelebung mittels manueller, medikamentöser und Apparatemethoden richten müssen. Wenn auch die Kenntnisse hierüber nicht neu erworben werden müssen, weil der tägliche Beruf schon ihre Beherrschung verlangt, so wird doch in vielen Fällen eine Ergänzung des Wissens nötig sein und eine Umformung auf die behelfsmäßigen, durch Krieg und Kampf bedingten Verhältnisse. Die Stimmen nach Einführung eines regelrechten Unterrichts über Rettungswesen und erste Hilfe an den Universitäten mehren sich von Tag zu Tag und beweisen nur, dass die Ausbildung des jungen Arztes in dieser Hinsicht noch zu wünschen übrig lässt. Insbesondere muss aber der Luftschutzarzt in der Technik der Krankenverladung und Krankenbeförderung sowie der Herrichtung von Transportfahrzeugen mit einfachsten, handbereiten und billigsten Mitteln bewandert sein. Bei Massenunglücken, wie sie Luftangriffe darstellen, werden die normalerweise vorhandenen Transportmittel zur Überführung von Verletzten ins Krankenhaus nicht ausreichen. Es wird dann notwendig sein, dass Verkehrsmittel und landesübliche Fahrzeuge für Zwecke des Krankentransportes ausgenutzt und in kürzester Frist eingerichtet werden müssen. Manches lässt sich in dieser Hinsicht in ruhiger und zielbewusster Friedensarbeit vorbereiten und ausbauen. Immer aber wird die fachkundige Mitarbeit des Arztes nicht zu umgehen sein, die er nur auf Grund bestimmter Kenntnisse leisten kann. Sie lassen sich nicht in der Theorie des Bücherstudiums erwerben, sondern müssen in praktischer Übung an Hand einwandfreier Unterlagen erprobt sein. Die Heilkunde und die ihr angrenzenden Naturwissenschaften haben heute dimensionale Formen angenommen, und es ist unmöglich, dass ein Arzt in allen Sätteln dieser Wissenschaften festsitzt. So musste es zur Bildung von Fachgruppen und Fachwissenschaftlern kommen. Der rechte Arzt wird freilich trotz allen Spezialistentums den festen Grundstock des allgemeinen ärztlichen Wissens nicht verlieren dürfen, ohne den eine Fachwissenschaft und Fachkunst undenkbar wäre.

Zu diesem allgemeinen Wissensschatz gehören auch toxikologische Begriffe über Giftgase und Kampfstoffe sowie pathologische und therapeutische Anschauungen über Kampfstofferkrankungen. Die Tatsache, dass Giftgaserkrankungen in Friedenszeiten im Vergleich zu anderen Schädigungen und Erkrankungen zahlenmäßig verschwinden, darf nicht dazu verleiten, die Pathogenese und Therapie dieser Erkrankungen zu einer Sonderkunde zu stempeln, an de der Durchschnittsmediziner keinen Anteil nehmen müsste. Wer von uns Ärzten hätte nicht schon in den ersten Studienjahren Verletzungen über Pocken und Pest mit lebhaftesten Interesse gehört, obwohl jedem bewusst war, dass höchstwahrscheinlich niemals im ganzen Leben ein derartiger Krankheitsfall uns beschäftigen würde?
Durch die Statistik der gewerblichen Unfälle infolge von Einwirkung von giftigen Gasen und Dämpfen werden wir überdies belehrt, dass die Zahl dieser Erkrankungen keineswegs so niedrig ist, als man zunächst annimmt. Der chemische Krieg der Zukunft behält sich vielleicht manche Überraschung vor. Nur der Arzt wird gegenüber allen Zufälligkeiten und Neuerungen auf diesem Gebiete gewappnet sein, der sich in die allgemeine Giftgaskunde und Toxikologie vertieft hat. Die Organisation des Sanitätsdienstes wird zudem durch Kampfstoffkranke nicht unwesentlich beeinflusst, so dass das Studium dieser Erkrankungen unerlässlich für sanitätstaktische Maßnahmen und deren Verständnis wird. Bei Gaskatastrophen beanspruchen innerhalb eines kurzen Zeitraumes zahlreiche Kranke die ärztlichen Kräfte, so dass eine geradezu schematische Versorgung einsetzen muss. Dazu kommt, dass die Eigenart der Kampfstofferkrankungen besondere Entschlüsse und Vorkehrungen bedingt. Das akute und lebensbedrohende Stadium des toxischen Lungenödems der Grünkreuzkampfstoffschädigung schließt eine Transportfähigkeit des Patienten aus, die Last der Verantwortung fällt also dem unter schwierigen und oft primitiven Verhältnissen arbeitenden Arzt der Rettungsstellen zu. Durch Gelbkreuzvergiftete andererseits werden die organisatorischen Schwierigkeiten auf einem stark beanspruchten Verbandplatz oder in einer Rettungsstelle außerordentlich durch die Notwendigkeit einer rechtzeitigen und gründlichen Entgiftung gesteigert, die sich auf Person, Kleidung und Ausrüstungen erstrecken muss.

Wenn somit der Arzt zunächst an die Mehrung und Vertiefung des eigenen Wissens denken muss, um den Anforderungen im Luftschutzdienst gerecht zu werden, so muss er ebenso darauf bedacht sein, die Ausbildung seiner Helfer, des Sanitätspersonals, in den Sonderdiensten des Luftschutzes zu fördern. Gerade bei Massenzustrom von Kranken und Verletzten, wie ihn ein Luftangriff im Gefolge haben kann, können verlässige Hilfskräfte den Arzt ebenso sehr entlasten, wie ungewandte und schlecht ausgebildete Samariter seine Tätigkeit erschweren. Die Ausbildung der Hilfskräfte muss nach einheitlichen Gesichtspunkten vor sich gehen, um Eigenwilligkeiten zu verhüten, die die gemeinsame Abwehr stören. Die einheitliche Ausbildung sichert auch den Erfolg des Einsatzes der Helfer an jedem beliebigen Ort und zu jeder Zeit. Der Kunst des unterrichtenden Arztes bleibt es überlassen, die Auswahl des Lehrstoffes zu begrenzen.

Nach dieser „inneren“ und friedensmäßigen Vorbereitung des Arztes und seiner Hilfskräfte wird sich eine ärztliche Tätigkeit bei einem Luftangriff fasst „automatisch“ entsprechend dem Einsatzverfahren abwickeln, das in den amtlichen Richtlinien für den Luftschutzsanitätsdienst festgelegt ist. Verwundeten und Kranken wird die ärztliche Hilfe erstmals im allgemeinen in der Rettungsstelle zuteil werden, wohin sie durch die Luftschutzsanitätstrupps verbracht worden sind. Die Ausrüstung der Luftschutzsanitätstrupps mit Sanitätstaschen und Gastaschen nach vorgeschriebenem Muster ermöglicht erste behelfsmäßige Versorgung (Notverband, Blutstillung usw.) schon an Ort und Stelle. Der Luftschutzsanitätstrupp soll also den Patienten lediglich transportfähig machen und diesen Transport zur Rettungsstelle durchführen. Dieser Bergungsdienst hat an sich mit Krankenbehandlung nichts zu tun: ihm obliegt lediglich das Heraus- und Wegschaffen der Verunglückten und Verwundeten aus dem Gefahrenbereich, er vollzieht mehr oder minder den Zubringerdienst zur ärztlichen Versorgung. Freilich werden manchmal Lagen eintreten, in denen auch der Arzt sich mitten in die Gefahrenzone begeben muss, um dort erste Hilfe so rasch wie möglich leisten und vor allem den Abtransport organisieren und regeln zu können.

In der Rettungsstelle, die das große Filter darstellt, in dem Leichtkranke, Schwerkranke, Beobachtungskranke (Krankheitsverdächtige) und Gesunde (Nichtbehandlungsbedürftige) voneinander geschieden werden, kann der Arzt auf Grund dieser Auslese der Patienten, die ein sicheres Auge und ein entschlossenes Urteil erfordert, die erste gründliche Wundversorgung vornehmen, eine Notoperation ausführen (namentlich dann, wenn ein Weitertransport zum Krankenhaus aus den äußeren Gründen des Luftangriffes in absehbarer Zeit nicht möglich ist) und schließlich Gaskranke (Lungengeschädigte) mit Sauerstoffbeatmung, Herzmitteln und Aderlass behandeln. Eine unliebsame, wenn auch nicht zu umgehende Belastung für die Rettungsstelle können sog. „Beobachtungskranke“ bilden, Leute, die angeben oder glauben, gaskrank zu sein, ohne dass im Augenblick die ärztliche Kunst und Technik bei fehlenden sichtbaren Krankheitsanzeichen eine sichere Diagnose zulässt. Diese „Mitläufer“, die teils bewusst, um z. B. Fürsorge zu genießen oder spätere Ansprüche vorzubereiten, teils unbewusst und gutgläubig, angesteckt und mitgerissen von einer Angstpsychose, sind einfinden, müssen dann oft mehrere Stunden beobachtet werden, bis der Arzt einen weiteren Entscheid zu geben in der Lage ist. Da jede krankhafte Veränderung bei ihnen Alarmsignal zur größten Vorsicht sein muss, ist große Aufmerksamkeit diesen Patienten gegenüber geboten. Auch die Auslese und Versorgung der mit Gelbkreuzkampfstoff behafteten oder vergifteten Leute erfordert höchste Vorsicht, peinlichste Genauigkeit und energisches Durchgreifen. Man hat nicht ohne Absicht in den bereits erwähnten Richtlinien für den Luftschutzsanitätsdienst die Anlage einer Rettungsstelle so empfohlen, dass Verwundete und Kranke nur durch einen Zugang die Rettungsstelle betreten können. Die Gelbkreuzkampfstoffgeschädigten sollen damit erst innerhalb der Rettungsstelle, also im geschützten Raum, von den anderen Patienten getrennt werden, freilich unmittelbar nach Betreten der Rettungsstelle, d. h . nach Durchtritt durch die Gasschleuse. Wenn man für Verwundete, Kranke und Gaskranke jeweils Sondereingänge vorsehen und sie etwa durch Aufschriften kenntlich machen wollte, liefe man Gefahr, dass ein großer Teil der Patienten in der allgemeinen Erregung und Haft einen Eingang benutzen würde, der ihnen nicht zugedacht ist.

In der Rettungsstelle, die das große Filter darstellt, in dem Leichtkranke, Schwerkranke, Beobachtungskranke (Krankheitsverdächtige) und Gesunde (Nichtbehandlungsbedürftige) voneinander geschieden werden, kann der Arzt auf Grund dieser Auslese der Patienten, die ein sicheres Auge und ein entschlossenes Urteil erfordert, die erste gründliche Wundversorgung vornehmen, eine Notoperation ausführen (namentlich dann, wenn ein Weitertransport zum Krankenhaus aus den äußeren Gründen des Luftangriffes in absehbarer Zeit nicht möglich ist) und schließlich Gaskranke (Lungengeschädigte) mit Sauerstoffbeatmung, Herzmitteln und Aderlass behandeln. Eine unliebsame, wenn auch nicht zu umgehende Belastung für die Rettungsstelle können sog. „Beobachtungskranke“ bilden, Leute, die angeben oder glauben, gaskrank zu sein, ohne dass im Augenblick die ärztliche Kunst und Technik bei fehlenden sichtbaren Krankheitsanzeichen eine sichere Diagnose zulässt. Diese „Mitläufer“, die teils bewusst, um z. B. Fürsorge zu genießen oder spätere Ansprüche vorzubereiten, teils unbewusst und gutgläubig, angesteckt und mitgerissen von einer Angstpsychose, sind einfinden, müssen dann oft mehrere Stunden beobachtet werden, bis der Arzt einen weiteren Entscheid zu geben in der Lage ist. Da jede krankhafte Veränderung bei ihnen Alarmsignal zur größten Vorsicht sein muss, ist große Aufmerksamkeit diesen Patienten gegenüber geboten. Auch die Auslese und Versorgung der mit Gelbkreuzkampfstoff behafteten oder vergifteten Leute erfordert höchste Vorsicht, peinlichste Genauigkeit und energisches Durchgreifen. Man hat nicht ohne Absicht in den bereits erwähnten Richtlinien für den Luftschutzsanitätsdienst die Anlage einer Rettungsstelle so empfohlen, dass Verwundete und Kranke nur durch einen Zugang die Rettungsstelle betreten können. Die Gelbkreuzkampfstoffgeschädigten sollen damit erst innerhalb der Rettungsstelle, also im geschützten Raum, von den anderen Patienten getrennt werden, freilich unmittelbar nach Betreten der Rettungsstelle, d. h . nach Durchtritt durch die Gasschleuse. Wenn man für Verwundete, Kranke und Gaskranke jeweils Sondereingänge vorsehen und sie etwa durch Aufschriften kenntlich machen wollte, liefe man Gefahr, dass ein großer Teil der Patienten in der allgemeinen Erregung und Haft einen Eingang benutzen würde, der ihnen nicht zugedacht ist.

Man würde damit Wirrwarr hervorrufen und vor allem auch zur Verschleppung des Gelbkreuzkampfstoffes beitragen. Die Aufgabe der Absonderung der Gelbkreuzkampfstoffgeschädigten von den übrigen Patienten muss einer geschulten Kraft (Sanitätsfeldwebel, Oberschwester) überantwortet werden, die nicht nur mit den Gefahren des Gelbkreuzkampfstoffes vertraut ist, sondern vor allem auch in der Durchsicht der Patienten jenen scharfen Blick besitzt, der sofort Verdächtige erkennt. Diese Gelbkreuzkampfstoffbenetzen werden zunächst im Bade- und Duschraum entgiftet und dann erst, wenn überhaupt nötig, der ärztlichen Betreuung zugeführt. Neben der äußeren Waschung und Reinigung, zu der u. U. auch Entgiftungsmittel wie Chlorkalk benutzt werden, wird man Mundspülung und Gurgeln mit alkalischen und desinfizierenden Lösungen (Kaliumpermanganat) vorschreiben, auch die Augen wird man spülen und alkalische Augensalbe auf die Bindehaut der Lider auftragen. Für die regelgerechte Entgiftung der Transportmittel, soweit überhaupt solche von Gelbkreuzkranken besetzt waren, wird der Arzt Sorge tragen müssen. Wenn auch die Rettungsstelle im allgemeinen nur als Durchgangsstation gedacht ist, weil eine sorgfältige und eingehende Behandlung und Pflege immer nur in der Ruhe des guteingerichteten Krankenhauses möglichst ist, so wird doch der Zustand der Nichttransportfähigkeit bei einzelnen Kranken (z. B. Lungenödemkranke) manchmal zu längerem Aufenthalt zwingen. Für solche Fälle müssen entsprechende Liegeräume (Einzelräume) vorgesehen werden. Jedenfalls muss der Arzt bei Schwerkranken und Schwerverwundeten im Einzelfall jeweils die besonderen Anordnungen treffen. Auf gewissenhafte Führung der Kranken- und Verwundetentäfelchen, welche den Patienten ins Krankenhaus mitzugeben sind, hat er zu achten. Vielfach bilden ja diese schriftlichen Aufzeichnungen bei späteren Erhebungen usw. die einzigen und maßgebenden Unterlagen.

Im Krankenhaus erfährt der bei einem Luftangriff Verwundete oder Geschädigte die sorgsame und uneingeschränkte ärztliche und pflegliche Behandlung. Auch die Arbeit im Krankenhaus während und nach einem Luftangriff bedarf einer genauen organisatorischen Regelung, ohne die sich der Dienst am Patienten nicht abwickeln kann. Die Erfahrungen der ärztlichen Organisation bei großen Unglücken (Oppau, Reinsdorf, Bergwerkkatastrophen) können und müssen hierbei ausgenützt werden. Es ist notwendig, dass die ärztlichen Leiter des Krankenhauses wie der Einzelstationen sich die anderenorts gewonnenen Erkenntnisse zu eigen machen. Schon im Frieden muss ein „Luftschutzkalender“ schriftlich niedergelegt werden, um die zu treffenden Maßnahmen unabhängig von der Anwesenheit der leitenden Person zu machen, die vielleicht infolge der Kriegsverhältnisse plötzlich abberufen und anderwärts verwendet werden muss.

Praktische Erfahrungen können auch friedensmäßig durch Abhaltung von Übungen gesammelt werden. Die Leitung eines Krankenhauses kann und muss gelegentlich immer wieder größere oder kleinere Luftschutzübungen innerhalb des Krankenhausbereiches durchführen, deren Anlage dem Kriegsfalle möglichst angepasst werden muss. Die Eingliederung des Krankenhausdienstes in große Luftschutzübungen, die von den leitenden Luftschutzdienststellen veranstaltet werden, haben die Schwierigkeiten mannigfacher Art gerade für den Krankenhausbetrieb bei Luftangriffen offenbart. Der leitende Krankenhausarzt hat ja alle ärztlichen, technischen und organisatorischen Maßnahmen des Luftschutzes zu kombinieren, um einerseits seine, d. h. die im Krankenhaus befindlichen Patienten zu schützen und andererseits für die Neuzugänge infolge des Luftangriffes jede nur erdenkliche Hilfe sicherzustellen.

Gillert hat darauf hingewiesen, dass das Haushalten mit der eigenen Kraft und die Erhaltung der eigenen Leistungsfähigkeit für den Arzt nicht bedeutungslos sind. Denn der Hilfsbedürftige hat Anspruch auf die ärztliche Hilfe, die nicht versagt werden kann, die aber regelrecht nur geleistet werden kann, wenn auch der Arzt physisch dazu imstande ist. Bei der zahlenmäßigen Aufstellung des Bedarfs an Ärzten und Sanitätspersonal muss diesem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden. Andererseits muss daran erinnert werden, dass selbst eine stark gefährdete Heimat der kämpfenden Front der Gruppe nicht mehr an Mensch und Material entziehen darf, als unumgänglich notwendig ist. Die Forderungen der Heimat müssen sich wohl stets den Bedürfnissen der Front unterordnen.

Die rein ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus unterscheidet sich kaum bei Luftangriffen bezüglich der Behandlung von Patienten von den allgemeinen Behandlungsregeln. Chirurgische Hilfe, Versorgung von Gaskranken und vielleicht auch Behandlung von Hysterikern u. ä. wird vorherrschen.

Dieser letzte Punkt drängt uns, die Frage der Panik bei einem Luftangriff und die Bedeutung der ärztlichen Mitwirkung zu ihrer Bekämpfung kurz zu streifen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die psychologische Wissenschaft mit dem Wesen der Panik im Kriege eingehend befasst, und auch über Panikmöglichkeiten und Auswirkungen nach Luftangriffen in der Heimat ist im Schrifttum hingewiesen worden. Die psychologischen Verhaltungsweisen, wie sie sich ohne eine moralische Kraft und Gegenwehr in den Schrecken von Luftangriffen einstellen würden, wären etwa folgende:

1. Schreck, der in Panik (passiv) und Zorn (aktiv) auszuarten vermag,

2. Abstumpfung, wenn der geringe tatsächliche Sachschaden klar, gleichzeitig aber die seelische Spannkraft abgenutzt wird, und

3. Zermürbung infolge der sich dauernd wiederholenden Unterbindung des normalen Lebens.

„Ein praktisches Mittel zur Ausschaltung dieser Verhaltungsweisen gibt es nicht. Ihre Bekämpfung kann einzig mit moralischen Waffen auf Grund der inneren Bereitschaft, das ganze höher zustellen als alle persönlichen Belange, erfolgen. Hier kann und muss organisatorisch sehr viel geleistet werden. Nichts ist schlimmer und wirkt verhängnisvoller als das Warten auf die Gefahr. Aufklärung und Belehrung aller Volksgenossen sind daher von ausschlagender Wirkung.“ (Grunwaldt.)

Für die Klärung dieser psychologischen Probleme eröffnet sich dem Arzte ein weites Tätigkeitsfeld der Forschung, die manchen gangbaren Weg der Abwehr vielleicht ans Licht bringt. Wenn diese Forschung immer nur einzelnen Wissenschaftlern und Ärzten vorbehalten bleiben kann, wird die aktive Beteiligung in der bereits als notwendig erkannten Bekämpfung durch Aufklärung und Belehrung der Allgemeinheit jedem Arzt zur vaterländischen Pflicht. Der Arzt als vertrauter Berater der Familie findet nicht nur Eingang in jede Familie, sondern auch offenes Ohr. Er muss die Wucht und Überzeugskraft seiner Anschauung einsetzen, um unverständliche Gegner zu bekehren und laue Eigenbrötler aufzurütteln. Seiner Menschenkenntnis wird es nicht allzu schwer fallen, die geeigneten Mittel anzuwenden, die weder unnötige Angst verbreiten noch die Gefahren verkleinern. Auch hier bedarf der Wert der Einzelarbeit, der Aussprache von Mensch zu Mensch, nicht verkannt werden.

Diese Aufklärungstätigkeit des Arztes darf sich aber keineswegs auf die Familie beschränken. Seine Mitwirkung bei der Organisation der Volksbildung, die schon das Kind in der Schule zu erfassen hat, erscheint selbstverständlich. Insbesondere durch Zusammenstellung und Bearbeitung des Stoffes kann der Arzt hier die Lehrkräfte weitgehend anregen und unterstützen und damit in der Werbung und Ausbildung unserer Jugend im Luftschutzdienst wertvollste Arbeit leisten.

Verantwortungsreiche Aufgaben treten an den Arzt heran, der als „Luftschutzarzt“ der Gemeinde usw. angehört. Im Sicherheits- und Hilfsdienst ist der Arzt wohl einer der besten Stützen als Berater der leitenden Dienststellen nicht nur wegen seiner medizinischen Fachkenntnisse, sondern auch, weil er die örtlichen Verhältnisse kennt, die gesundheitliche Überwachung der Bevölkerung schon seit Jahren ausübt und daher in ihrer Betreuung auch in Notzeiten die einzelnen Gefahrmomente richtig einschätzt, und schließlich, weil ihm die Organisation und die Einrichtung des gesamten Gesundheitsdienstes geläufig sind, einerlei, ob es sich um Apotheken-, Krankenhaus- oder Transportfragen handelt. Auch zu Baufragen wird der Arzt gehört werden müssen, insbesondere bei Erbauung von Sammelschutzräumen, in denen nicht nur die Reinhaltung und Zufuhr von Luft eine Rolle spielt. Wir kennen alle die Gefahren der Seuchenentstehung und Verbreitung infektiöser Erkrankungen, sobald Menschen in größerem Maße wohnlich oder räumlich, wenn auch nur auf kürzere Zeit, zusammengedrängt werden. In Kriegszeiten gilt es nicht nur die Bevölkerung vor feindlichen Angriffen zu schützen, sondern vor allem auch ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten, ja aufs höchste zu steigern. Man wird also schon bei Auswahl und Bau von Schutzräumen aller Art die hygienischen Erfahrungen der Ärzte sich zunutze machen, noch mehr aber bei ihrer Benutzung allgemein gesundheitliche Vorkehrungen treffen. Hierzu gehört z. B. Ungezieferbekämpfung, Regelung der Trinkwasserversorgung, Prüfung der Abwasserkanalisation u. a. In die Überwachung der Lebensmittel und in die Begutachtung ihrer Genussfähigkeit und ihres Grenzwertes nach Fliegerangriffen, bei denen Kampfstoffe verwandt wurden, wird sich der Arzt zusammen mit dem Tierarzt teilen.

Eine neue, nicht unwichtige und bisher zu wenig beachtete Aufgabe scheint uns innerhalb des Amtsbereiches und des Tätigkeitsfeldes des Luftschutzarztes zu liegen: die gesundheitliche Fürsorge für Teilnehmer an friedensmäßigen Ausbildungslehrgängen im Gasschutz und Luftschutz. Die Auswahl der Teilnehmer an Luftschutzlehrgängen auf Grund ärztlicher Untersuchung und Zulassung muss als Ziel erstrebt werden, obwohl heute mangels ärztlicher Kräfte noch in die Ferne gerückt. Die Verwendung von Tränengasen, Brandsätzen u. ä. bei diesen Lehrgängen zur Darstellung der Kampfstoffeinwirkung, Prüfung der Dichte von Gasmasken usw. bringt es mit sich, dass der eine oder andere Lehrgangsteilnehmer, sei es durch eigene oder der Lehrer Ungeschicklichkeit, sei es durch Zufälligkeiten oder aus anderen Gründen, gewisse Mengen von derartigen Stoffen in den Körper aufnimmt. Aus Überängstlichkeit, oft aus Unkenntnis oder auch aus Rentensucht erhebt ein Teil dieser betroffenen Personen finanzielle Ansprüche wegen Zeitweiser oder dauerhaften Schädigungen und Berufsbehinderung, insbesondere Ersatz von ärztlichen Behandlungskosten. Hier muss zunächst einmal auf die Ärzteschaft erzieherisch eingewirkt werden, nicht nur genaue und gewissenhafte Organbefunde zu erheben, sondern vor allem auch den Zusammenhang zwischen angeblicher Schädigung und „Gasvergiftung“ nicht ohne schärfste Kritik- und Prüfung der Vorgänge und Angaben der Patienten anzuerkennen. Wir wissen, dass im allgemeinen die feldmäßig und bei Luftschutzübungen angewandten Konzentrationen von Tränengasen zu keinen Schädigungen des Bronchialbaumes und der Lungen führen.

Der soeben gezeichnete Umriss lässt das außerordentlich vielgestaltige Arbeitsgebiet des Arztes als Helfer, Lehrer und Berater erkennen. Weniger beachtet von der Allgemeinheit spielt sich aber in der Stille noch eine weitere, bedeutungsvolle Mitarbeit im Luftschutz ab, die Tätigkeit des Arztes als Forscher. Die Luftwaffe wie die Gaswaffe sind jung, und die Erfahrungen über die Wirkungsmöglichkeiten beider, namentlich auf das Heimatgebiet und die Bevölkerung eines Landes im Kriegsfalle, sind verhältnismäßig gering oder fehlen überhaupt. So kann es nicht verwundern, dass auch im ärztlichen Teilgebiet noch große Lücken klaffen, die nur durch eine systematische Forschung geschlossen werden können. Vielerlei Probleme, namentlich auf dem Gasschutzgebiete, beschäftigen die medizinischen Wissenschaftler seit Jahren, und nur ein kleiner Teil ist in Angriff genommen. Dabei handelt es sich um Schaffung und Ergänzung der Abwehr- und Schutzmaßnahmen, durch welche das von einem Gegner drohende Unheil abgewendet werden könnte: So wird die Bekämpfung der bakteriologischen Kriegswaffe, über die anscheinend im Auslande gearbeitet wird, fast ausschließlich Domäne der ärztlichen Wissenschaft werden müssen. Durch den Arbeitspsychologen können dem Gasschutztechniker an Hand von Versuchen über Leistungsfähigkeit unter dem Gasschutzgerät (Gasmaske und Gasanzug) wichtige Anhaltspunkte für Verbesserung der Schutzgeräte vermittelt werden. Bei weiterer und spezieller Durchforschung der Kampfstofferkrankungen wird nicht nur der Wirkungsmechanismus, sondern vor allem auch eine in ihren Endzielen kausale Therapie erkannt werden. Der Frühdiagnose der so genannten Grünkreuz- und Gelbkreuzkampfstoffschädigung, die durch diesen Erkrankungen eigene Latenzzeit erschwert ist, muss in der Forschungseinrichtung besonderes Augenmerk gewidmet werden, und auch für die Begutachtung des Zusammenhanges von Spätfolgen bedarf es der Sammlung, Sichtung und Veröffentlichung des reichhaltigen, verstreuten Materials. Alle Disziplinen der Medizin sind mit dieser Aufbauarbeit verknüpft und beteiligt. Dazu kommt das weite Feld der sanitären Organisation, die mit dem Wachsen der Bevölkerung, mit der Ausbreitung von industriellen Anlagen und Werken, mit Ort und Zeit wechseln und den jeweiligen Bedürfnissen gerecht werden muss. Der größte Teil dieser Forschungsarbeit wird von staatlicher Seite anzuordnen und in staatlichen oder öffentlichen Institutionen durchzuführen sein, um die einheitliche Linie zu wahren. Oft wird man von einer Zentralisierung nicht absehen können. Immer aber wird auch der Arzt zu seinem Teil mithelfen können, sei es durch theoretische Anregungen und Gedankengänge, sei es durch praktische Bestätigung am Krankenbett und Beobachtung des Einzelfalles, der immer wieder einmal vorkommen wird. In Publikationen freilich muss sich der Arzt, ob Wissenschaftler, ob Praktiker, eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. Die Interessen des Landes, die zumeist sehr nahe berührt werden, erfordern gebieterisch eine Prüfung solcher Arbeiten durch amtliche Dienststellen.

Die Frage der Sanitätsausrüstung, die den Luftschutzarzt als Rüstzeug zur Verfügung stehen soll, hat manchen Streit entfacht. Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass bei Luftangriffen Brisanzverwundete wahrscheinlich in größerer Zahl anfallen werden als etwa Gaskranke, dass aber auch für diese vorgesorgt werden muss. Und weiterhin müssen die Unterschiede berücksichtigt werden zwischen Feldheer und dem heimatlichen Gas- und Luftschutzdienst: Ersteres muss beweglich bleiben, darf also nicht mit Einrichtungen und Ausrüstungen belastet werden, und muss sich auf das unbedingt Notwendige beschränken. Die Heimat, in der mehr oder minder stabile Verhältnisse herrschen, hat die Möglichkeit, unter Beobachtung aller Sparsamkeit in ausgedehnterem Maße sich ausrüsten zu können und in den bodenständigen Anlagen auch gewisse Bestände zu speichern. So ist es erklärlich, dass im Heere z. B. eigene Sanitätsbehältnisse für eine Gassanitätsausrüstung zur Behandlung und Versorgung von Gaskranken nicht eingeführt wurden, weil die meisten zu diesem Zwecke benötigten Medikamente und Mittel ohnedies in der allgemeinen Sanitätsausrüstung vorhanden sind und letztere nur durch Einfügung weniger Spezialmittel ergänzt und vervollständigt werden musste, um auch Gaskranken die notwendige Behandlung angedeihen lassen zu können. Der heimatliche Luftschutzdienst hat dagegen eigene Sanitätsbehältnisse für Gaskrankenbehandlung vorgeschrieben, die im einzelnen und in ihrer genauen Ausstattung in den allgemeinen Richtlinien für den Luftschutzsanitätsdienst bezeichnet sind.

Durch Normung und Vereinheitlichung dieser Sanitätsausrüstung wird nicht nur die einheitliche Ausbildung in ihrer Handhabung erleichtert, sondern es besteht die Sicherheit, dass Arzt und Sanitätsdienstgrad jederzeit und überall die notwendigen und anerkannten Mittel verfügungsbereit haben. Ähnlich wie im Heer die Sanitätsausrüstung entsprechend der Tiefengliederung gestaffelt ist und ansteigt, je weiter sich die Behandlungsstelle vom eigentlichen Gefechtsfeld entfernt befindet, ist auch im Luftschutzdienst die Menge und Art der Arzneimittel und der Sanitätsausrüstung der jeweiligen Behandlungsmöglichkeit angepasst, die sich mit dem Schauplatz der ärztlichen Tätigkeit ändert. Die Rettungsstelle als Durchgangsstation wird nur eine bestimmte Menge und Art von Mitteln und Geräten benötigen, während das Krankenhaus allen Anforderungen gewachsen sein muss. Die erste Hilfe durch den Samariter wird ohne allzu große Arzneischatz gegeben werden können. Besondere Vorkehrungen sind zu treffen für Menschen, die in den durch Bombenanwurf zum Einsturz gebrachten Häusern usw. verschüttet wurden. Die sich hierbei oft entwickelten Kohlenoxydgase – im Stellungskriege lagen häufig ähnliche Verhältnisse beim Zusammenschießen von Unterständen oder in ungenügend gelüfteten M.G.-Betonblocks vor – können zu Vergiftungen Anlass geben. Hier ist möglichst frühzeitige Verabfolgung von Lobelin durch Einspritzung unter die Haut erforderlich. Der Ausrüstung des Hilfspersonals müssen demnach Hilfsmittel, wie Spritze, Lobelin usw., beigefügt werden, da die Überführung zur Rettungsstelle erst nach dieser of lebensrettenden Einspritzung erfolgen soll.

Der Konstruktion einer „Luftschutzkrankentrage“ hat man besonderes Augenmerk zugewandt. Neben einer handlichen Form, die sowohl dem Kranken den Transport erträglich macht als auch den Träger selbst keine Schwierigkeiten und Hemmnisse bietet, hat man die Möglichkeit einer Entgiftung zu berücksichtigen müssen, falls die Krankentrage mit Gelbkreuzkampfstoffen in Berührung gekommen sein sollte. Diese Entgiftung der Sanitätsgeräte muss vom Arzt angeordnet und geleitet werden. In gleicher Weise obliegt dem Arzt die Beaufsichtigung der bakteriellen Desinfektionen bei Gasmasken, wenn sie anderen Personen übereignet werden. Wahl der Desinfektionsmittel und Art der Durchführung der Desinfektion ist nicht gleichgültig, weil nicht nur der bakterielle Desinfektionserfolg erreicht werden soll, sondern auch der Maskenstoff nicht beschädigt werden darf. Man wird also auch hierbei des Rates eines erfahrenen Arztes nicht entbehren können.

Die ärztliche Tätigkeit im Luftschutzdienst setzt sich, wie wir gesehen haben, aus einer großen Reihe von Einzelleistungen zusammen, die dennoch miteinander eng verkettet sind und die ganze Kraft des Arztes beanspruchen. Die Kriegstätigkeit ist das letzte Glied dieser Kette, alle anderen müssen schon im Frieden geschmiedet werden. Wenn sich der Arzt der Größe und des Wertes seiner Aufgaben im Luftschutzsanitätsdienst bewusst ist, wird er auch freudigen Herzens seine ganze Kraft zur aktiven Mitarbeit zur Verfügung stellen.Auch um die Seele des Arztes hat die junge deutsche Luftschutzbewegung ringen müssen. Noch zu Anfang des Jahres 1933 konnte in einer medizinischen Zeitschrift im Anschlusse an einen Aufsatz von Muntsch über „Die Aufgaben des Arztes im zivilen Luftschutz“ die entgegen gesetzte Ansicht eines Arztes verbreitet werden, die in folgende Schlussworte ausklang:

„Soll man demnach als Ärzteschaft, die die Sinnlosigkeit des Tuns und Treibens durchschaut, sich willig Sand in die Augen streuen lassen oder gar selbst dazu beitragen, die Gehirne der Bevölkerung, unserer Schutzbefohlenen, zu vernebeln? Sollten wir nicht die Wahrheitsmäßigen Tatsachen verbreiten und aus wissenschaftlicher Überzeugung, aus menschlichen Empfinden, so wie es viele kulturelle und gewerkschaftliche Organisationen heute tun, ablehnen, an der großen Illusion des Luftschutzes teilnehmen? Ärztliche Konsequenz dürfte es sein, die geldlichen Ersparnisse aus dem „Luftschutz“ beschleunigt der kranken, hungernden und Not leidenden Bevölkerung zuzuführen.“

Heute ist unsere damalige Meinung wohl Allgemeingut jedes deutschen Arztes geworden, und niemand dürfte mehr daran zweifeln, dass auch den Arzt im Luftschutz mannigfache, große und verantwortungsvolle Aufgaben erwarten.

Den Rahmen für die ärztliche Tätigkeit im Luftschutz kennzeichnen die Ausführungen des Oberregierungsrates Dr. med. Bespermann über den Luftschutzsanitätsdienst im Abschnitt B dieses Werkes. Wie der Arzt jedoch innerhalb dieser Organisation des Sicherheits- und Hilfedienstes die ihm zukommenden Aufgaben im einzelnen meistern kann und wie er fach- und sachgemäß seine Person im Krieg und Frieden in den Luftschutzdienst eingliedern muss, soll im nachfolgenden in großen Umrissen gezeigt werden.