Luftkriegsversicherung

Luftkriegsversicherung?

Luftschutz ist wichtiger!

In der Tages- und Fachpresse konnte man in der vergangenen Zeit wiederholt lesen, dass im Ausland eine so genannte Luftkriegsversicherung eingeführt worden sei und sich auch bereits einer gewissen Beteiligung der Bevölkerung erfreue: Der Versicherte zahlt in Friedenszeiten laufend eine bestimmte Prämie an die Versicherungsgesellschaft und erwirbt dadurch den Anspruch, von dieser im Falle eines Krieges den Einsatz desjenigen Schadens zu erhalten, der ihm durch die Wirkung von Luftangriffen an seinem Vermögen entsteht.

Es ist vielleicht mancher auf dem Gedanken gekommen, dass diese Einrichtung doch ganz zweckmäßig sei, und hat sich gefragt, warum es nicht auch in Deutschland eine Luftkriegsversicherung gibt. Um es gleich vorweg zu sagen: Es waren auch in Deutschland Bestrebungen im Gange, eine solche Versicherung einzuführen. Erfreulicherweise sind diese Versuche jedoch gescheitert. Und sie mussten scheitern aus folgenden Gründen: Wenn ich eine Lebensversicherung abschließe, d. h. also, wenn ich von einer Versicherungsgesellschaft bei meinem Tode die Auszahlung eines bestimmten Betrages an meine Erben verlange, dann legt sich die Versicherungsgesellschaft zur richtigen Kalkulation der Prämie folgende Fragen vor: Erstens, ist der Eintritt des Versicherungsfalles gewiss? Zweitens, ist der Zeitpunkt des Eintritts gewiss und drittens, ist die Höhe der beim Versicherungsfalle zu zahlenden Entschädigung gewiss? Bei der Lebensversicherung der eben beschriebenen Art kann die erste und dritte Frage bejaht werden, denn es steht fest, dass der Versicherte einmal sterben wird und die Höhe des dann zu zahlenden Betrages ist fest vereinbart. Lediglich wann der Versicherungsfall eintritt, ist ungewiss, kann aber auf Grund der vorhandenen Statistiken über das Durchschnittsalter der Angehörigen einer bestimmten Berufsklasse mit einer Wahrscheinlichkeit voraus gesehen werden. Auf Grund dieser Unterlagen ist es dann möglich, die zu zahlende Prämie so auszukalkulieren, dass einerseits eine Übervorteilung des Versicherten, andererseits die Gefahr des Zusammenbruchs der Versicherungsgesellschaft infolge zu geringer Prämienberechnung vermieden wird. Bei anderen Versicherungszweigen, z. B. der Feuerversicherung, kann die Prämienkalkulation dadurch erschwert sein, dass die Frage, ob der Versicherungsfall jemals eintreten wird, d. h. also, ob in dem versicherten Haus jemals ein Brand ausbrechen wird, bei Abschluss des Vertrages nicht feststeht. Aber auch diese Ungewissheit kann durch Wahrscheinlichkeitsberechnungen auf Grund des statistischen Materials, z. B. über die Häufigkeit von Bränden, ausgeglichen werden.

Bei einer Luftkriegsversicherung lässt es sich nicht voraussehen, ob die Möglichkeit eines Schadenfalles jemals eintreten wird. Es kann nämlich niemand wissen, ob es Krieg geben wird, und ferner ist es auch völlig unvorhersehbar, ob im Falle eines Krieges ausgerechnet das versicherte Haus von der Fliegerbombe getroffen wird.

Des weiteren weiß kein Mensch, wann ein solcher Krieg ausbrechen könnte, und wann die Fliegerbombe das Haus treffen würde. Diese Unkenntnis kann auch nicht mit dem Anspruch auf annähernde Genauigkeit durch eine Wahrscheinlichkeitsrechnung ersetzt werden, da es über die Häufigkeit von Kriegen und Bombentreffern im Kriege keine Statistiken geben kann. Es fehlen also bei der Luftkriegsversicherung alle Erfahrungswerte, die zur richtigen Kalkulation der Prämien notwendig sind. Es müsste eine Zufall sein, wenn die Höhe der Prämie richtig erraten wird. Viel näher liegt die Annahme, dass die Prämie entweder viel zu hoch oder viel zu niedrig liegt. Im ersten Fall zahlen also die Versicherten Jahr für Jahr ihre enorme Prämie, ohne jemals eine Gegenleistung zu erhalten. Im zweiten Fall dagegen ist das bei den Versicherungsgesellschaften angehäufte Prämienkapital zu gering, um die eingetretenen Schäden zu decken, die Versicherungsgesellschaften brechen zusammen und der Versicherte kommt ebenfalls nicht zu seinem Geld.

Gesamtwirtschaftlich gesehen stellt eine Versicherung nicht die Verhütung eines Schadenereignisses dar, sondern nur die Abwälzung eines Schadens von den Schultern des unmittelbar Betroffenen auf eine breitere Grundlage, nämlich die Versicherungsgesellschaft, und damit auf die Beiträge alle übrigen Versicherten. Man kann also durch eine Kriegsschädenversicherung günstigstenfalls erreichen, dass sich an dem Schaden, den der einzelne durch das Abbrennen seines Hauses infolge eines Brandbombenangriffs erleidet, eine Anzahl von Personen beteiligt. Man kann aber durch eine noch so hohe Prämie niemals das Abbrennen eines Hauses verhüten. Und in dieser Feststellung dürfte das Kernproblem der ganzen Luftkriegsversicherung liegen:

Da wir nicht über unbeschränkte Geldmittel verfügen, sind wir genötigt, mit dem Vorhandenen hauszuhalten. Es gilt also, mit den Mitteln, die für derartige Zwecke bereitgestellt werden können, möglichst viel zu erreichen. Soweit es sich um Schäden handelt, deren Eintritt sich durch Vorbeugungsmaßnahmen verhüten lässt, geschieht das nicht dadurch, dass man eine große Sparkasse einrichtet, aus der die anfallenden Schäden gedeckt werden können, sondern dadurch, dass jeder einzelne an seiner Stelle dazu beiträgt, dem Eintritt des Schadenfalles vorzubeugen.

Wenn man unterstellt, dass die Jahresprämie für eine Luftkriegsversicherung etwa eins v. H. des Wertes des versicherten Gegenstandes beträgt, dann würde also für ein Mietshaus im Werte von hunderttausend Mark jährlich eine Prämie von tausend Mark zu entrichten sein. Mit diesen tausend Mark lässt sich bereits eine Fülle wirksamer Luftschutzmaßnahmen durchführen. In einigen Jahren lässt sich mit der ersparten Prämie jedes Haus so herrichten, dass es allen Anforderungen des Luftschutzes Rechnung trägt. Dann aber hat der einzelne den Vorteil, dass sein Haus Brandbomben- und Kampfstoffangriffen standhält, gesamtwirtschaftlich gesehen ist an die Stelle der Verschiebung des Risikos durch eine Luftkriegsversicherung die Erhaltung des vorhandenen Volksvermögen getreten.

Quelle: Die Sirene – 1939, Heft 11, Seite 296
Abschrift und Übersetzung aus dem altdeutschen: Kai Ohlenbostel